Joachim Fuchsberger tot: Nachruf auf "Blacky" (2024)

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Dieser Beitrag stammt aus dem SPIEGEL-Archiv. Warum ist das wichtig?

Warum eigentlich "Blacky"? Fast sein ganzes Leben lang trug der 1927 in Stuttgart geborene Joachim Fuchsberger den kumpelhaft klingenden Beinamen - er hatte sich derart verselbständigt, dass kaum noch jemand wusste, wofür er steht. Seinen Enkeln aber hat Fuchsberger verboten, ihn respektlos "Blacky" zu nennen.

Nicht die auffallend schwarzen Haare seiner Jugendzeit waren der Grund für den Spitznamen. Er selbst leistete gerne Aufklärung durch süffige Anekdoten aus den wilden frühen Fünfzigerjahren, einer kurzen, ihn ein wenig für den kriegsbedingten Verlust seiner Jugend entschädigenden Epoche.

Eine dieser Geschichten handelt von einem sehr betrunkenen Fuchsberger, der als Nachrichtensprecher des Bayerischen Rundfunks nachts außerdienstlich am Mikrofon herumscherzte und den sein Chef - auch nicht mehr ganz nüchtern - vor im Suff gezeugten Kindern warnte. Vor "Blackys", wie solche vom Alkohol beförderten Babys in Anspielung auf die Whisky-Marke "Black & White" damals prosaisch genannt wurden.

Fuchsberger, der Sohn eines Druckmaschinenvertreters, hatte zu diesem Zeitpunkt eine Berufsfindungsphase hinter sich, die für die Nachkriegsepoche nicht untypisch war. Der Not gehorchend durchquerte der Ex-Soldat nach kurzer englischer Kriegsgefangenschaft die ganze Breite der damaligen Jobwelt.

Er fuhr als Bergmann für die Recklinghauser Zeche Ludwig II. ein, er montierte Setz- und Druckmaschinen, wurde Assistent bei der Deutschen Bauausstellung 1949 in Nürnberg, machte zwischen 1950 und 1952 den Sprecherjob beim damaligen Rundfunksender München und fungierte als Wochenschausprecher.

Dann kam der blendend aussehende junge Mann seinem Ziel näher: dem Film und der Unterhaltung. Regisseur Paul May gab ihm 1954 in "08/15" die Hauptrolle des Gefreiten Asch. Es waren Filme, die im Sinne des damaligen Zeitgeistes vom Landseralltag erzählten und am Mythos strickten, der deutsche Soldat sei anständig geblieben und nur von schikanösen Umständen getrieben worden. Fuchsberger hatte dem Regisseur von seinen Kriegserfahrungen erzählt, und May erkannte, dass sich Millionen Deutsche mit dem jungen Mann, der noch kein Star war, identifizieren konnten.

"Blumen für die Dame"

In erster Ehe war Fuchsberger von 1950 bis 1953 mit der Schlagersängerin Gitta Lind verheiratet. Er beschrieb die kurze Beziehung unsentimental: "Ich war Kofferträger und Chauffeur meiner Frau." Aber er schrieb auch Liedtexte für Lind, die es mit der Sentimentalität der "Capri Fischer" aufnehmen konnten. Zum Beispiel "Blumen für die Dame". Darin zieht ein Blumenmädchen durchs Lokal, und zugleich geht es um die Verlorenheit eines jungen Manns, dem der Krieg mitgespielt hat. "Wenn nachts schon viele schlafen / Noch 1000 Lichter glühen / Dann muss ich durch die Straßen und viele Häuser ziehen / Wenn dunkelrote Rosen auf weißen Tischen steh'n / Wenn Hände sich liebkosen / Dann muss ich weitergehen. Blumen für die Dame".

So traurig blieb es in "Blackys" weiterem Leben nicht. Die Sache mit Gitta Lind war zwar bald vorüber. Sein Glück fand Fuchsberger bei der Schauspielerin Gundula Korte. Es wurde eine Liebe, die ein ganzes Leben hielt.

Auf "08/15" folgten Filmrollen im Fach jugendlicher Liebhaber. Und es folgten in den frühen Sechzigerjahren jede Menge Edgar-Wallace-Krimis, in denen Fuchsberger neben dem schnarrenden Kollegen Heinz Drache einen Ermittler spielte. Mehr als 60 Filme kamen insgesamt zusammen, und eine Selbsterkenntnis Fuchsbergers: "Es gibt Schauspieler, Darsteller und Komödianten. Ich gehöre zu den brauchbaren Darstellern."

Kühl fiel später auch der Blick auf diese Zeit aus: "Die deutschen Produzenten hatten wenig Respekt vor Schauspielern. Da bekam man ein paar Spaghetti auf Pappe, die man im Rinnstein fraß, nach 20 Minuten hieß es: weiter, weiter." Ein Filmmogul wie Horst Wendtland schüchterte die Mimen mit dem Wandspruch ein: "Vergiss nie, dass es ein Schauspieler war, der Abraham Lincoln ermordet hat."

Das Kino verfiel in Lethargie, das Fernsehen kam auf. Fuchsberger sah den medialen Wechsel rechtzeitig voraus. Dank seines Vaters, einem Linotype-Vertreter, der mit der englischen Sprache und angelsächsischen Lässigkeit auf bestem Fuß stand, kannte er kein Fremdeln mit amerikanischer Unterhaltungskultur. Statt wie Heinz Maegerlein ("Hätten Sie's gewusst") Bildungsgut abzufragen, tollte Fuchsberger von 1960 an in der deutschen Fassung des US-Hits "Beat The Clock" unter dem Titel "Nur nicht nervös werden" mit seinen Kandidaten vor der Kamera herum und ließ sie mit Ofenrohren Tennisbälle fangen.

Im Nachthemd auf die Bühne

Der schöne Schulabbrecher mit dem weltmännischen Flair dachte sich in der nun anbrechenden Quizphase im deutschen Fernsehen weitere Darbietungen aus. Die hießen "Der heiße Draht" (1973/74), "Spiel mit mir" (1975/76) und dann - als Reifeprüfung - von 1977 bis 1986 die Samstagabendshow "Auf Los geht's los".

Und siehe da: Der "Blacky"-Effekt funktionierte. Fuchsberger ließ Arnold Schwarzenegger seine Muskeln zeigen, trat im Nachthemd auf die Bühne, weil er bei Frank Elstner im ZDF eine Wette verloren hatte, nahm sich wie ein Dieter-Bohlen-Vorläufer ungalante Äußerungen gegenüber Kandidatinnen heraus, besonders bei solchen, die nicht so rank und schlank ausfielen ("Elefantentanzschule", "Sie müssen mal in den Spiegel schauen").

Er signalisierte, dass er den bunten Familienabend jener Jahre nicht so ehrfürchtig und wohlerzogen zelebrierte, wie ihn das Publikum damals feiern wollte. Eine heikle Mission, zumal Fuchsberger der Charme eines Hans-Joachim Kulenkampffs nicht zur Verfügung stand. Kuli konnte sich bei der Dame des Fernsehhaushalts scherzend aufs Sofa setzen, ohne dass der Vati dagegen aufbegehrte.

Fuchsberger, ein bekennender, aber nie devoter und in der damaligen Medienlandschaft seltener CSU-Fan, regte trotz hoher Einschaltquoten die deutsche Fernsehkritik auf. Die warf die Kalauermühlen an: "Einschaltpinsel", "Schmusetalker", "Verbalentgleiser" hieß es in den Kritiken.

Die lustige Nachthemd-Nummer wurde zur unfreiwilligen Selbstentlarvung eines Langweilers aufgebauscht und von den humorfreien ARD-Gewaltigen missbilligt. Und wie reagierte Fuchsberger? "Blacky" beerdigte "Auf los geht's los" kurzerhand schon zwei Sendungen vor dem Ende. Die Dienstherren rächten sich. Die verspätete Abschiedsgala für den Massenunterhalter "Blacky" geriet im August 1987 nach ARD-Art: Auf viel Rührung folgte die glasharte Absage an das Fuchsberger-Projekt einer Unterhaltungsshow mit Live-Schaltungen in die ganze Welt.

"Lasst euch nicht von Rotzlöffeln herumkommandieren"

Der Umstand, dass Fuchsberger mit der erst im dritten Programm gezeigten und später ins Erste übernommenen Sendung "Heut' abend" von 1980 bis 1991 eine der ersten Talkshows des deutschen Fernsehens moderierte und als Pfeife rauchender Gastgeber Lob von den Gästen für seine Fähigkeit zuzuhören bekam, half ihm bei der Kritik nicht weiter. Er sei ein unverbesserlicher Dünnbrettbohrer, hieß es in Kritiken. Und einer, der sich selbst wichtiger nehme als seine Gäste. Ein Plauderer, der nur den Lebenslauf seines Gegenübers abfrage.

Die "Berliner Zeitung" resümierte: "Damit war Fuchsberger einer der ersten aus der Riege der alten Fernsehstars, die dem neuen Wettstreit von öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehsendern zum Opfer fielen. Auch Wim Thoelke oder Hans-Joachim Kulenkampff wurden alsbald von ihren Haussendern ziemlich unwürdig aufs Altenteil geschoben, weil sie sich im neuen Fernsehzeitalter nicht mehr zurechtfanden." Oder dem unaufhaltsamen Flachgeist im Wege standen.

Für Selfmademan Fuchsberger war solcher Undank kein Grund zur Trauer. Er hatte eine erfolgreiche Filmfirma gegründet, seinen Lebensschwerpunkt zeitweise ins geliebte Australien verlegt und mit seinem Sohn zur deutschen die australische Staatsangehörigkeit erworben.

Fuchsberger startete seine letzte, vielleicht wichtigste Karriere: "Blacky", der störrische Alte. Er schrieb Bücher mit Titeln seines neuen Lebensmottos: "Altwerden ist nichts für Feiglinge". Er berichtete in Interviews über sein Leben, über die Liebe zu seiner Frau, über die Schrecken des Krieges, über seine Rolle als Stadionsprecher der so tragischen Olympischen Spiele 1972 in München, als er - nur von August Everding, dem späteren Münchner Generalintendanten unterstützt - eine Massenpanik verhindern musste. Sicherheitsbehörden hatten damals den Anflug von terroristischen Flugzeugen befürchtet, als das Stadion voll besetzt war. Der nervenstarke "Blacky", das Kriegskind, bewältigte die heikle Situation.

Auch zu Attacken auf seine eigene Eitelkeit ließ er sich in der Spätphase verführen. "Neues vom Wixxer" hieß die von Komikern wie Oliver Kalkofe produzierte Satire (2007) auf die Wallace-Filme der Sechziger. "Blacky" spielte mit, der Witz des Kinoprojekts hatte ihn überzeugt. Er ließ sich nichts mehr sagen. Bei seinen betagten Altersgenossen weckte der Gerontophilosoph Widerstandsgeist: "Lasst euch nicht die faltige Haut über die Ohren ziehen. Lasst euch nicht von Rotzlöffeln herumkommandieren. Stellt euch!"

Seinen Zorn auf einen Gott, falls es den gebe, und auf den Tod behielt er nicht für sich. "Was ist der liebe Gott für ein Gebilde?", zitiert ein Interview seine zweifelnden Selbstgespräche. In die Todesanzeige für seinen Sohn Thomas, der 2010 ertrunken war, schrieb er: "Völlig sinnlos hat der Tod das Licht unseres Alters gelöscht." "Bild"-Kolumnist Franz Josef Wagner übersetzte den Satz für den Boulevard. "Der Tod ist ein Schwein."

Aber wo Pathos ist, war bei Fuchsberger immer auch der schnoddrige "Blacky" nicht weit.

In einem Interview mit der "Frankfurter Rundschau" hat Hans Joachim Fuchsberger 2011 sein Testament versteckt, die Bilanz eines mutigen Unterhalters: "Ich hinterlasse ja genug Spuren. Hundert Spielfilme, zweitausend Fernsehaufzeichnungen. Aber ob ich ein großer Künstler war, ist mir ehrlich gesagt ziemlich egal."

Im Alter von 87 Jahren ist Fuchsberger nun in München gestorben.

Joachim Fuchsberger tot: Nachruf auf "Blacky" (2024)
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Author: Eusebia Nader

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